Oscar 7 (1976)

Das Jahr 1976 brachte für mich mit meinem Umzug in ein freistehendes Haus mit Flachdach (!) die reizvolle Möglichkeit, zwei Kreuzyagis (Tonna) für 2m und 70 cm zu installieren. Zu dieser Zeit waren die Amateurfunksatelliten Oscar 6 und Oscar 7 bestens geeignet, sich einmal selbst mit der Thematik Erd-umlaufender Satelliten zu befassen. Zunächst mit zwei Stolle-Rotoren (!) und umgebautem Steuergerät horizontal und vertikal drehbar, war die Ausrichtung der Antennen zum Satelliten bei einer im Minutenbereich liegender Überflugsdauer der in niedriger Höhe polar und fast kreisfürmig umlaufenden Satelliten eine ziemlich sportliche Angelegenheit.

Jahre später wurden die Tonna-Antennen durch zwei 2x22El + 2x11El  MASPRO Kreuzyagis ersetzt, die neben der hervorragenden mechanischen Qualität zusätzlich den Vorteil der umschaltbaren Zirkular-Polarisation boten. Die Stolle-Rotoren wurden durch zwei "echte" Az/El-Rotoren (Yaesu) ersetzt, die  über ein Steuergerät (Endeavour Autotracker) die automatischen Nachführung durch das Tracking-Programm WinTrak Pro von Paul E. Traufler erlaubten.

Im Jahr 1976 jedoch gab es noch keine Satellitenprogramme für Heim-PCs. Es gab zwar schon die 8080-Computer IMSAI und ALTAIR als Bausätze, aber die waren mit knapp 500 $ für ein Studentenbudget nicht realisierbar. So war die Bahnverfolgung der Satelliten zur Bestimmung ihres Auf- und Untergangs und ihrer Sichtbarkeit (Hörbarkeit) mit viel "Handarbeit" verbunden. Basierend auf Arbeiten von W2AEF und der AMSAT-US stellte der DARC für Deutschland zwei grafische Hilfsmittel zur Verfügung, den

sowie den

Um ein Gefühl für die Bewegung der Satelliten und die Problematik der Doppler-Shift zu bekommen, habe ich ab 1976 viele Überflüge mitprotokolliert und auch als begeisterter RTTYer selbstverständlich die RTTY-Telemetrie des Satelliten - mehr oder eher weniger fehlerfrei - mitgeschrieben.

Irgendwann wurde mir die Bahnvorhersage mit graphischen Hilfsmitteln zu ungenau, und ich beschloss, den "IBM Grossrechner" meines damaligen Arbeitgebers (heute Forschungszentrum Jülich GmbH) für mein Hobby zu bemühen. Ich besorgte mir also zwei Bücher über "künstliche Erdsatelliten" und deren Bahnen und wühlte mich nicht ohne einige Mühe durch die mir fremde Materie. Da es mir nicht gelang, die Formel zur analytischen Berechnung der Äquator-Crossings zu finden*, entschied ich mich für ein Simulationsverfahren und programmierte das Ganze (natürlich in Fortran) in einen hübschen, nicht zu dicken Lochkartenstapel für das Batch-System unserer IBM ("Interaktiv" war damals noch ein Fremdwort). Das Ergebnis - die Umläufe einiger Tage mit Minuten-genauen Az/El-Positionen und zugehöriger Doppler-Shift - wurde als Liste auf dem Kettendrucker des Rechenzentrums ausgedruckt und neben die Rotorsteuerung im Shack gelegt. Dann brauchte man nur noch drei Hände, um einmal pro Minute die abgelesenen Positionsdaten auf dem Horizontal- und Vertikalrotor einzustellen, die Frequenzen am Transceiver gemäß Doppler nachzustellen und das Mikrofon resp. die RTTY-Tastatur zu bedienen.  Nicht zu vergessen, dass man gleichzeitig die Digitaluhr, die Frequenzanzeige des Transceivers mit Up- und Downlink-Frequenz, die Liste der Bahndaten und ggf. den RTTY-Output im Auge behalten musste. Es gelang nicht immer, war aber mit Sicherheit auch nicht langweilig :-).

Die gemessenen Werte der Doppler-Shift habe ich zusätzlich noch benutzt, um durch Vergleich mit den errechneten Werten eine grobe Korrektur der zugrunde liegenden Bahnparameter vorzunehmen. Präzise und aktuelle TLE's aus dem Internet waren wie dieses selbst damals leider noch nicht verfügbar.

*) Später hat mir ein Mathematiker dann erklärt, weshalb ich für das Problem damals keine analytische Lösung gefunden hatte ;-)